1919
Vilshofen
an der Donau
- Parteien
- Politische Kontroversen
In Vilshofen fand 1919 der erste Politische Aschermittwoch statt.
Die Tradition der oft deftigen Wortgefechte und politischen Kontroversen zwischen den Parteien entwickelte sich immer mehr zu einem Polit-Event von landes- und dann bundesweiter Ausstrahlung.

1919 rief der Bayerische Bauernbund zu einer Vollversammlung in Vilshofen im Wieninger Konzertsaal auf. Als Redner für den Bauernbund traten der Bauernrat Johann Leitner und der Landtagsabgeordnete Joseph Klarhauser auf.
Abb. Stadtarchiv Vilshofen, Sammlung Rudolf Drasch

Der traditionell am Aschermittwoch in Vilshofen stattfindende Viehmarkt erlangte Ende des 19. Jahrhunderts zunehmende Bedeutung. Besucher aus der ganzen Umgebung kamen nach Vilshofen. Bis in die 1960er-Jahre wurde hier Vieh gehandelt. Danach blieben vor allem die Käse- und Fischstände.
Abb. Stadtarchiv Vilshofen
„Innerlich wirkte das Festbier,
äußerlich das Diskutieren.“
Alljährlich steht am Aschermittwoch der rhetorische Schlagabtausch der Parteien im Interesse der Öffentlichkeit. Als „Geburtsort“ des Politischen Aschermittwochs gilt Vilshofen in Niederbayern. Schon im 16. Jahrhundert gab es hier am Aschermittwoch einen Viehmarkt.
1919 lud der Bayerische Bauernbund erstmals am Aschermittwoch zu einer politischen Versammlung ein. In den folgenden Jahren fanden unregelmäßig von verschiedenen Akteuren organisierte Kundgebungen statt, beispielsweise Veranstaltungen vom Christlichen Bauernverein oder dem Bauern- und Mittelstandsbund. Von 1933 bis 1937 nutzte die NSDAP diese Tradition, ließ dann jedoch wieder davon ab. Es blieb der Viehmarkt.
In der Nachkriegszeit gab es ab 1948 wieder politische Kundgebungen, die zunächst vor allem von der heftigen Auseinandersetzung zwischen CSU und Bayernpartei geprägt waren. Ab 1953 zog die CSU mit Franz Josef Strauß als zugkräftigem Redner die Aufmerksamkeit auf sich. Der zum traditionellen Austragungsort gewordene Wolferstetter Keller konnte die Besucherinnen und Besucher bald nicht mehr fassen. 1975 verlegte die CSU ihre Veranstaltung in die Passauer Nibelungenhalle. Im Wolferstetter Keller versammelte sich fortan die SPD und bezog Position gegen die CSU.
Im Laufe der Zeit nutzten auch andere politische Parteien die mediale Aufmerksamkeit für den Politischen Aschermittwoch, der sich von einem lokalen Ereignis zu einem politischen Schlagabtausch und Medienevent mit landes- und bundesweiter Ausstrahlung gewandelt hat.


Von den 1950er-Jahren bis in die 1970er-Jahre fand die Aschermittwochsveranstaltung der CSU meist im Wolferstetter Keller statt.
Abb. Stadtarchiv Vilshofen, Archivsammlung Ludwig Maier, Foto: P. Fuchs

Abb. Stadtarchiv Vilshofen, Sammlung Ludwig Maier

Ab 1948 trat für die Bayernpartei häufig der Landtagsabgeordnete und Parteivorsitzende Josef Baumgartner als Redner am Aschermittwoch auf.
Abb. picture alliance / Willi Antonowitz

Abb. Stadtarchiv Vilshofen
Der Politische Aschermittwoch – eine Tradition aus Vilshofen erobert Deutschland
„Es ist die Aufgabe von Politik, zu dienen und nicht rumzumosern.“

Angela Merkel ist am Aschermittwoch regelmäßig in ihrem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern in Demmin zu Gast. In einer zum Bierzelt umfunktionierten Tennishalle findet hier der größte Aschermittwoch der CDU mit rund 2.000 Gästen statt.
Abb. picture alliance / dpa | Christian Charisius

Auch außerhalb von Bayern organisieren Landesverbände verschiedener Parteien am Aschermittwoch Veranstaltungen mit führenden Politikern. Die nordrhein-westfälische SPD etwa lud 2005 in Köln zum Aschermittwoch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder ein. Die Reden am Aschermittwoch befeuern oft tagesaktuelle politische Debatten.
Abb. picture-alliance / Sven Simon
„Denken Sie doch ausnahmsweise noch mal darüber nach […]. Sie erreichen nur, dass die, die im braunen Sumpf im Trüben fischen, sich die Hände reiben.“
„Wer sich selbst zum Weißwürstchen macht, darf sich nicht wundern, dass er als solches verspeist wird.“

In seiner Zeit als FDP-Vorsitzender und Vizekanzler kam Philipp Rösler 2012 zum Politischen Aschermittwoch der Bayern-FDP nach Dingolfing.
Abb. FDP Bayern

Seit 1996 veranstalten die Grünen in Biberach in Baden-Württemberg einen Politischen Aschermittwoch mit bundespolitischer Prominenz. In den ersten Jahren brachten vor allem Joschka Fischers Auftritte regelmäßig mehr als 1.000 Zuhörer.
Abb. Foto: Johannes Angele
„Wenn dieser Bundestagswahlkampf so weitergeht, können die Kabarettisten ihre Arbeit einstellen. Die Politiker überholen sie gnadenlos.“

Der Aschermittwoch gehört mittlerweile fest zum politischen Kalender. Besonders in Wahlkampfzeiten wollen es die Parteien sich nicht nehmen lassen, mit den Reden Positionen zu setzen. Digitale Formate und die Einbindung von Social Media sollten 2021 einige der aufgrund der Coronapandemie nicht möglichen Veranstaltungen ersetzen.
Abb. CSU Bayern

Das große bundesweite Interesse zeigt sich auch in den Medien. Alljährlich berichtet etwa die Tagesschau von den verschiedenen Veranstaltungen und den Reden prominenter Politiker.
Abb. ARD-aktuell, 2018