1919
Nürnberg
Gewerkschaftshaus

  • Zivilgesellschaft
  • Mitbestimmung
  • Föderalismus
  • Interessenvertretung

Die Vertreter der freien Gewerkschaften aus ganz Deutschland trafen sich 1919 in Nürnberg zur Gründung eines gemeinsamen Dachverbands – des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes.

„Die Macht der Arbeiter
 liegt in ihrer Organisation.“

Im Juli 1919 wurde in Nürnberg der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) gegründet. Von diesem Dachverband erhofften die freien Gewerkschaften sich stärkeren Einfluss zur Vertretung der Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ab 1890 waren die Einzelverbände der freien Gewerkschaften in der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands zusammengeschlossen. In der Weimarer Republik wuchs die Rolle der Gewerkschaften als gesellschaftliche Kraft bei der Ausgestaltung des Sozialstaats und der Festigung der Demokratie.

Richtungsweisend war der Kongress in Nürnberg 1919, wo man sich im Gebäude des Industrie- und Kulturvereins eingemietet hatte. Anwesend waren über 600 Delegierte von 52 Gewerkschaften. Sie vertraten die Interessen von 4,8 Millionen Mitgliedern. Alle beim Kongress vertretenen Verbände schlossen sich dem ADGB an, darunter die Verbände der Metall-, Land-, Fabrik- und Textilarbeiter und arbeiterinnen. Zu den Zielen gehörten Tarifverträge über Löhne und Arbeitsbedingungen und die verbindliche Einführung des Achtstundentags.

1920 waren über acht Millionen Menschen im ADGB organisiert. In der Weimarer Republik setzten sich die freien Gewerkschaften nicht nur für die Belange der Arbeiterschaft ein, sondern auch für den Schutz der parlamentarischen Demokratie, etwa als sie sich gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch stellten. Obwohl Teile der ADGB-Führung 1933 auf eine „Anpassungspolitik“ setzten, ging das NS-Regime rigoros gegen die Gewerkschaften vor. 1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen und gleichgeschaltet. Zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder waren im Widerstand aktiv. In der Nachkriegszeit organisierten die Gewerkschaften sich bald neu und sind auch heute wichtige Akteure der demokratischen Mitbestimmung.

Ein Ort der Demokratie für die Nürnberger Gewerkschaftsgeschichte

Der Gewerkschaftskongress 1919 fand im Saalbau des Nürnberger Industrie- und Kulturvereins statt. Dieses Gebäude war jedoch kein fester Treffpunkt der Gewerkschaften, sondern wurde wegen der Größe seines Festsaals für unterschiedliche Veranstaltungen vermietet. 1935 verabschiedeten die Nationalsozialisten im Saalbau die sogenannten Nürnberger Gesetze. Diese stellten für das NS-Regime einen zentralen Schritt für den Prozess der Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Deutschen dar, an dessen Ende die Ermordung von Millionen Juden und anderen Minderheiten stand. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude beschädigt, Ende der 1960er-Jahre schließlich abgerissen.

Als Ort der Demokratie wird aus diesen Gründen nicht der Tagungsort des Kongresses 1919, sondern das DGB-Haus ausgezeichnet, das ohnehin viel enger mit der Geschichte der Gewerkschaften verbunden ist.




Gewerkschaften in Nürnberg

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Nürnberg zu einer bedeutenden Industrie- und Arbeiterstadt Süddeutschlands und zu einem Zentrum der Arbeiterbewegung in Bayern. In Hochzeiten arbeiteten hier bis zu 94.000 Menschen in der Metallindustrie. Nürnberger Gewerkschaftsmitglieder beteiligten sich an der Gründung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds 1919. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das gewerkschaftliche Leben in Nürnberg schnell wieder Fahrt auf. Schon im September 1945 gründete sich der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund in Nürnberg mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung als eine der ersten Gewerkschaften in Bayern neu. 1949 begann mit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbunds eine neue Phase der Gewerkschaftsarbeit – die Einzelgewerkschaften wurden zu eigenständigen Gewerkschaften unter dem Dach des DGB.

Eine Begegnung mit Oberbürgermeister Marcus König am Gewerkschaftshaus am Kornmarkt in Nürnberg.