1978
Ermershausen

  • Zivilgesellschaft
  • Kommunales
  • Interessenvertretung

Die Bürgerinnen und Bürger von Ermershausen erreichten durch jahrelange Proteste und politisches Engagement, dass ihre Gemeinde nach der Gebietsreform die kommunale Selbstständigkeit doch wiedererlangen konnte.

„Beharrlichkeit und Einigkeit brachten den Erfolg.“

Die Bürgerinnen und Bürger von Ermershausen protestierten ab 1978 gegen die von der kommunalen Gebietsreform vorgesehene Eingemeindung nach Maroldsweisach. Sie hielten ihren Protest über 15 Jahre hinweg aufrecht und engagierten sich dafür politisch.

Von 1969 bis 1978 wurde in Bayern eine kommunale Gebietsreform mit dem Ziel einer effizienteren Verwaltung durchgeführt. Zudem sollte die kommunale Selbstverwaltung gestärkt werden. Vor allem kleine Gemeinden verloren die Selbstständigkeit. Insgesamt wurde die Zahl der Landkreise und der kreisfreien Städte halbiert, die der Gemeinden von 7.073 auf 2.052 reduziert, rund 32.000 kommunale Mandate gingen verloren. Widerstand gegen die Reform gab es besonders in den Orten und Landkreisen, die gezwungen wurden, ihre kommunale Selbstständigkeit aufzugeben.

Bereits im Vorfeld gab es in Ermershausen Protest gegen die geplante Eingemeindung. Schließlich verweigerte der Ort die Herausgabe der Gemeindeakten an Maroldsweisach. Im Mai 1978 wurde die Eingemeindung daher unter Einsatz der Polizei durchgeführt. In der Nacht auf den 19. Mai wurde der Dorfplatz umstellt und das Rathaus geräumt. Auch weil die Bürgerinnen und Bürger den Polizeieinsatz für unangemessen hielten, setzten sie den Protest fort. Nachdem 1989 der Landtag einen Antrag auf Ausgliederung ablehnte, wählte Ermershausen einen anderen Weg: Unterstützt von CSU-Kreisrat Sebastian Freiherr von Rotenhan trat die Mehrheit der Bevölkerung Ermershausens in eine politische Partei, die CSU ein. Als größter CSU-Ortsverband im Landkreis konnte Ermershausen sich neues Gehör verschaffen. 1994 wurde die Eingemeindung für „gescheitert“ erklärt. Das „Rebellendorf“ wurde wieder selbstständig und zum Beispiel für zivilgesellschaftlichen Protest und politisches Engagement.

Die kommunale Gebietsreform in Bayern

Die 1952 erlassene Gemeindeordnung legte Rechte und Aufgaben der Gemeinden fest. Sie sah die Selbstverwaltung vor, ließ aber eine Möglichkeit zur Änderung der Zahl der Gemeinden. Ministerpräsident Alfons Goppel kündigte in einer Regierungserklärung im Januar 1967 eine Gebietsreform an.

Landkreise sollten eine Einwohnerzahl von 80.000 haben, kreisfreie Städte eine Einwohnerzahl zwischen 25.000 und 50.000. Eigenständige Gemeinden sollten mindestens 5.000 Einwohner haben, Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften mindestens 1.000 Einwohner. In den neuen Gemeinden sollte die Verwaltung professionalisiert werden. Immer wieder kam es in Gemeinden und Kreisen zu Protesten, teils wurden auch Klagen gegen die Maßnahmen eingereicht. Ein Volksbegehren einer überörtlichen Protestgruppe wurde dennoch nur von 3,7 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unterstützt.

Ein Zeitzeugengespräch über die Proteste gegen die Eingemeindung in Ermershausen.