1952
Passau
- Gemeinschaft
- Föderalismus
- Europa
Mit den Festspielen Europäische Wochen in Passau wurde 1952 ein Anstoß für den europäischen Einigungsprozess gegeben.

Die Gestaltung des Plakats zeigt den Anspruch der ersten Europäischen Wochen. Die antike Säule, an der eine Theatermaske und eine Harfe lehnen, steht für das gemeinsame kulturelle Erbe Europas. Im Zentrum steht die Fahne der Europäischen Bewegung mit den Flaggen der Einzelstaaten.
Abb. Stadtarchiv Passau, Entwurf: Erwin Vogel

Über der Bühne stand das Motto der deutschen europäischen Bewegung: „Wir fordern die Vereinigten Staaten von Europa.“ Eugen Kogon, der Präsident der Europa-Union, hielt einen Vortrag mit dem Titel „Die Einigung Europas“ und forderte eine europäische Verfassung.
Abb. Stadtarchiv Passau, Fotosammlung EW 1952 / Geins
„Wir fordern die Vereinigten
Staaten von Europa.“
Gemeinsam riefen amerikanische Offiziere und die Stadt Passau im Jahr 1952 die Europäischen Wochen ins Leben. Ihr Ziel war es, die Idee von einem geeinten Europa zu fördern, die kulturelle Verständigung in Europa zu vertiefen und politische Barrieren abzubauen.
Ein europäischer Zusammenschluss sollte den Nationalismus überwinden und demokratisches Bewusstsein stärken. Im März 1952 kamen Vertreter der amerikanischen Militärverwaltung mit Vertretern der Vereine, der Kirche und der Stadtspitze Passaus zusammen und beschlossen die Festspiele noch für den Sommer 1952. Diese sollten die kulturelle Vielfalt Europas mit Theater, Musik, Filmen und Ausstellungen abbilden, aber auch ein Vortragsprogramm mit Vertretern der europäischen Bewegung bieten. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete der Vortrag des Spitzenrepräsentanten der Europa-Bewegung vor zwei- bis dreitausend Zuhörern: Eugen Kogon sprach vor allem über Initiativen für eine europäische Verfassung.
Seit der Gründung finden die europäischen Wochen jedes Jahr statt, seit 1960 organisiert vom Trägerverein „Europäische Wochen Passau e. V.“. Das Programm mit international renommierten Künstlerinnen und Künstlern bietet der europäischen Verständigung dienende kulturelle Veranstaltungen.

An vielen Veranstaltungen in den Anfangsjahren der Festspiele waren Musiker der US-Armee beteiligt. Die Militärkapelle spielte in der Stadt. Auch an der mehrfach ausverkauften Aufführung der Oper „Die Hochzeit des Figaro“ im Jahr 1952 wirkten Musiker des Symphonieorchesters der 7. US-Armee mit.
Abb. Archiv Europäische Wochen

Neben Musikdarbietungen bilden Opern und Theateraufführungen einen festen Bestandteil des Programms. Die Veranstaltungen finden oft auf Freilichtbühnen statt.
Abb. Archiv Europäische Wochen

Zu den Gästen zählen neben internationalen Künstlern immer auch führende Politiker. In der ersten Reihe ganz rechts ist hier der Mitbegründer der Europäischen Wochen Robert M. Allen zu sehen, neben ihm unter anderem Bundesminister Dr. Hans-Jochen Vogel und der bayerische Kultusminister Prof. Dr. Hans Maier.
Abb. Archiv Europäische Wochen

Abb. Archiv Europäische Wochen

Die Passauer Bevölkerung besuchte von Anfang an rege die Veranstaltungen der Festspiele. Aber auch zahlreiche Gäste kommen alljährlich nach Passau.
Abb. Foto: Florian Weichselbaumer / Europäische Wochen

Renommierte europäische Künstlerinnen und Künstler wie auch regionale Berühmtheiten treten heute während der Europäischen Wochen in Kirchen, Klöstern, Burgen oder Schlössern sowie auf Plätzen unter freiem Himmel auf.
Abb. Foto: Toni Scholz / Europäische Wochen
Bayern und Europa
In der frühen Nachkriegszeit gab es in der bayerischen Politik und Gesellschaft eine intensive Auseinandersetzung mit der Idee eines vereinigten Europas. Parteien, Kirchen und Verbände diskutierten darüber und propagierten ein föderal organisiertes, demokratisches geeintes Europa. Im Jahr 1948 sprach sich der Bayerische Landtag in einem einstimmigen Entschließungsantrag für die Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“ aus. 1998 wurde das Bekenntnis zur europäischen Einigung in die Staatsziele der Bayerischen Verfassung aufgenommen.
Die Anfänge der heutigen Europäischen Union liegen in den 1950er-Jahren. Sechs Staaten gründeten 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit der Absicht, durch wirtschaftliche Verflechtungen künftig Konflikten entgegenzuwirken und den Wohlstand in Europa zu fördern. Mit der Auflösung des Ostblocks 1989 änderten sich die Rahmenbedingungen. 1992 wurde die Europäische Union gegründet. Sie ist ein Zusammenschluss von (Stand Februar 2020) 27 demokratischen europäischen Staaten.

Landtagsbeschluss zur Schaffung eines vereinten Europas, 23. September 1948
1948 forderte der Bayerische Landtag in einem Entschließungsantrag die Staatsregierung auf, die Gründung der „Vereinigten Staaten von Europa“ mit allen Möglichkeiten zu unterstützen.
Abb. Verhandlungen des Bayerischen Landtags, Stenographische Berichte, 1. Wahlperiode, Beilage 1855

Ende 1946 sammelten sich verschiedene proeuropäische Akteure in der Europa-Union, die 1947 zu einem ersten deutschlandweiten Kongress zusammenkam. Kurz darauf bildete sich auch ein bayerischer Landesverband.
Abb. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, BayHStA Stk 16609

Mit verschiedenen Vorträgen und Veranstaltungen verbreitete die Europa-Union die europäische Idee in der Bevölkerung. Finanzielle Unterstützung dafür kam auch von der amerikanischen Militärregierung.
Abb. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, BayHStA Stk 16610


Die Bayerische Staatsregierung suchte früh den Kontakt zur Europäischen Kommission. In seiner Zeit als Ministerpräsident (1962–1978) zählte es zu Goppels Zielen, die bayerische Eigenstaatlichkeit und die Prinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität mit einem Konzept vom Europa der Regionen zu festigen.
Abb. Foto: Marcelle Jamar / Communautés européennes

Der Publizist Eugen Kogon war als Gegner des Nationalsozialismus mehrere Jahre im KZ Buchenwald inhaftiert. Nach dem Krieg zählte er zu den führenden Intellektuellen der Bundesrepublik und engagierte sich besonders für ein geeintes Europa, unter anderem in der Union Europäischer Föderalisten. Von 1949 bis 1954 war er der Präsident der Europa-Union Deutschland. Am Rednerpult ist die grün-weiße Fahne der Europäischen Bewegung zu sehen.
Abb. Stadtarchiv Passau, Fotosammlung EW 1952 / Geins