1594/1663-1806
Regensburg
Altes Rathaus
- Föderale Strukturen
- Aushandlungsprozesse
- Mitbestimmung
Der „Immerwährende Reichstag“ war die Vertretung der Reichsstände und tagte als Gesandtenkongress von 1663 bis 1806 dauerhaft in Regensburg.
Der Kaiser und die Reichsstände sowie Vertreter europäischer Staaten verhandelten hier Fragen, die das Reich als Ganzes und die politischen Verhältnisse in Europa betrafen. Der Reichstag setzte mit sog. Reichsschlüssen Recht im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

Der Kaiser und die Fürsten konnten nicht dauerhaft in Regensburg sein und schickten deshalb ihre Gesandten. Die Sitzungen folgten einem festen Zeremoniell. Die Gesandten kamen je nach Vermögen mit der Kutsche, in der Sänfte oder zu Fuß. Neben der politischen Tätigkeit unterhielten sie sich und die Regensburger Bürger mit festlichen Veranstaltungen.
Kupferstich von Andreas Geyer
Abb. Museen der Stadt Regensburg, G 1979/26

An der ausführlichen Legende des Kupferstichs lässt sich die hierarchische Sitzordnung im Reichssaal ablesen. An der Stirnseite unter einem Baldachin war der Platz des Kaisers bzw. seines Stellvertreters, zu seiner Rechten und Linken sowie ihm gegenüber saßen die Kurfürsten, auf den Bänken an den beiden Seitenwänden die geistlichen und weltlichen Fürsten sowie auf den Bänken hinten im Saal die Vertreter der Reichsstädte.
Abb. Museen der Stadt Regensburg, G 2008/15
„Ist doch aller Tage rot (Rat)
von morgens bis imbiss
und von imbiss bis nacht“
Das Alte Rathaus in Regensburg war von 1663 bis 1806 als Schauplatz des „Immerwährenden Reichstags“ ein wichtiger politischer Ort im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa. Zuvor hatte der Kaiser den Reichstag unregelmäßig in verschiedenen Städten einberufen, ab 1594 fand er in Regensburg statt. Die Stadt an der Donau hatte eine verkehrsgünstige Lage und Kirchen für katholische wie für protestantische Teilnehmer.
1663 war der Reichstag zusammengekommen, um über militärische Fragen und über die Gesetzgebung zu verhandeln. Bevor es eine Einigung gab, entstanden neue Fragen und die Versammlung wurde zum „Immerwährenden Reichstag“. Der Wandel zu einer dauerhaften Versammlung zeigt die wachsende Macht der Fürsten, die nicht mehr nur auf Wunsch des Kaisers zusammenkamen. Entscheidungen über Steuern, Bündnisse, Militär und Gesetze wurden nun von den Reichsständen und dem Kaiser gemeinsam getroffen. Kaiser und Fürsten wurden in der Regel von ihren Gesandten vertreten.
Im Reichstag mussten Kurfürstenrat, Reichsfürstenrat und Städterat zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen. Die drei Kollegien berieten sich und stimmten jeweils einzeln ab. Für eine Einigung wurden oft Kompromisse oder Änderungsvorschläge ausgehandelt.
Das Zusammentreffen von Gesandten aus den Teilen des Reichs sowie die Beratungs- und Entscheidungsprozesse können als Vorform des Parlamentarismus betrachtet werden. Allerdings waren die Mitglieder nicht gewählt, sondern delegiert.
Die Stände vertraten sich selbst und nicht unmittelbar ihre Bevölkerung. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu modernen Parlamenten.

Abb. Stadt Regensburg, Bilddokumentation



Die Bezeichnung Reichsstände ist erstmals 1486 nachweisbar und umfasst die Reichsfürsten, die Reichsgrafen, Angehörige der Reichskirche und Vertreter der Reichsstädte, die zusammen mit dem Kaiser das Reich repräsentierten.
Abb. Museen der Stadt Regensburg, G 1940/15
Der „Immerwährende Reichstag“ und das gesellschaftliche
und kulturelle Leben in Regensburg
„[…] jeder kann ungezwungen und nach seinem Geschmack leben […] Dieser ungezwungene, gesellige und abwechselnde Umgang macht auch, dass Fremde, die von großen volkreichen Städten kommen, nach und nach Regensburg so lieb gewinnen, dass sie es ungerne wieder verlassen […]“

Die Reichstage bedeuteten für Regensburg einen erheblichen organisatorischen Aufwand. Zeitweise mussten mehrere Tausend Teilnehmer und Gäste beherbergt werden. Für das Jahr 1594 wird der Hofstaat der elf persönlich anwesenden Kurfürsten mit rund 4000 Personen angegeben. Allerdings waren nicht alle Reichstage so groß und das Gefolge hielt sich oft nur kurzzeitig in der Stadt auf. Neben den Gesandten aus dem ganzen Reich kamen auch zahlreiche Beobachter aus dem Ausland.
Abb. Museen der Stadt Regensburg, G 1956/83,1

Alexander Ferdinand Fürst von Thurn und Taxis, Prinzipalkommissar von 1743/48 bis 1773
Wenn der Kaiser beim Reichstag nicht selbst vor Ort war, wurde er von einem von ihm eingesetzten Prinzipalkommissar vertreten. Ab 1742 wurde dieses Amt mehrfach von den Fürsten von Thurn und Taxis übernommen, die deshalb auch ihren Wohnsitz von Frankfurt nach Regensburg verlegten. Sie trugen maßgeblich zu einer Blüte des kulturellen Lebens in der Reichsstadt bei und richteten unter anderem eine Hofbibliothek ein.
Abb. Museen der Stadt Regensburg, G 2004-3,59

Für das politische Geschehen waren informelle Treffen von großer Bedeutung. Die adeligen Gesandten wurden daher vom Prinzipalkommissar oft zu Konzerten oder festlichen Essen eingeladen. Die Anwesenheit der Gesandten führte zur Entwicklung einer beständigen Theaterkultur in Regensburg. Für die nicht adeligen Gesandten spielten Treffen in Kaffeehäusern und Gaststätten eine wichtige Rolle.

Als Gebot der Gastfreundschaft war es üblich, dass jeder neu angekommene Gesandte ein Willkommensgeschenk der Stadt Regensburg erhielt. In den ersten Jahren des „Immerwährenden Reichstags“ wurden die Gesandten auch mit kostenlosem Wein und Konfekt bewirtet. Ab 1688 wurde das eingestellt – nicht zuletzt wegen der hohen Kosten.
Federzeichnung von Leonhard Bleyer Abb. Museen der Stadt Regensburg, G 1931/122,61

Als Repräsentanten ihrer Herrscher gehörte es sich für die Gesandten, großzügige Feste zu veranstalten. So unterstrichen sie die Bedeutung der jeweiligen Herrscher. Oft ließ man auch die einfache Bevölkerung an den Festlichkeiten teilhaben, etwa durch öffentlich aufgestellte Weinbrunnen.
Kupferstich von Martin Zimmermann Abb. Museen der Stadt Regensburg, G 1979/147