1919
Bamberg
Spiegelsaal der Harmonie

  • Verfassung
  • Grund- und Menschenrechte
  • Parlamentarismus
  • Parteien
  • Wahlen

Der Spiegelsaal der Bamberger Harmonie ist ein zentraler Ort für die moderne bayerische Demokratie- und Verfassungsgeschichte.

Hier wurde 1919 die erste demokratische Verfassung des Freistaats Bayern ausgearbeitet und verabschiedet.

„Die Staatsgewalt
 geht von der Gesamtheit
des Volkes aus.“

Im Spiegelsaal der Bamberger Harmonie fanden 1919 die Beratungen des Landtags und die Abstimmung über die erste demokratische Verfassung Bayerns statt.

In München hatte sich nach der Revolution die Lage zunächst stabilisiert. Aus ersten allgemeinen Wahlen im Januar 1919 ging ein neuer bayerischer Landtag mit klaren Mehrheiten für die Parteien der Mitte hervor: Bayerische Volkspartei, Mehrheitssozialdemokraten, Deutsche Demokratische Partei. Sie strebten eine parlamentarische Demokratie an. Als der Landtag am 21. Februar zusammentreten sollte, ermordete der junge Offizier Anton Graf von Arco auf Valley den Vorsitzenden der Revolutionsregierung, den Unabhängigen Sozialdemokraten Kurt Eisner. Im Anschluss kam es zu Schießereien im Landtag mit Toten und dem schwer verletzten Vorsitzenden der Mehrheitssozialdemokraten Erhard Auer, der sich schon 1917 mit einem umfassenden Antrag im Landtag für die Demokratisierung eingesetzt hatte. Erst im März 1919 konnte der Landtag wieder zusammentreten und den Sozialdemokraten Johannes Hoffmann zum Vorsitzenden des Ministerrats wählen. Die folgende Ausrufung von revolutionären Räterepubliken führte zur Destabilisierung der Verhältnisse in München. Regierung und Landtag wichen nach Bamberg aus.

Die bereits von der Revolutionsregierung Eisner eingeleitete Arbeit an einer neuen Verfassung wurde in Bamberg wieder aufgegriffen und in einem Übereinkommen der Parteien entscheidend vorangebracht. In Bamberg verabschiedete das Plenum des Landtags im August mit großer Mehrheit die erste demokratische Verfassung Bayerns. Sie trat am 15. September 1919 in Kraft.

Die „Bamberger Verfassung“ setzte Prinzipien einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie um. Erstmals waren in der bayerischen Verfassung die Volkssouveränität, das allgemeine Wahlrecht und aufseiten der Legislative neben dem Landtag auch plebiszitäre Instrumente wie Volksbegehren und Volksentscheid sowie aufseiten der Exekutive das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten verankert.



Der bayerische Landtag 1919

Johannes Hoffmann (Sozialdemokratische Partei Deutschlands)

„Der Staat hat […] sozial fühlende, sozial handelnde Menschen, denkende Staatsbürger und tüchtige Arbeiter heranzubilden.“

Der aus der Pfalz stammende Johannes Hoffmann gehörte ab 1908 dem bayerischen Landtag an. 1918 wurde er in der Revolutionsregierung Minister für Unterricht und Kultus und Stellvertreter von Kurt Eisner. Als früherer Volksschullehrer engagierte er sich besonders im Bereich der Bildungspolitik und setzte sich für die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht ein. 1919 wurde er zum Vorsitzenden des Ministerrats gewählt und trat entschieden für den Parlamentarismus ein. Von Bamberg aus lenkte er die Niederschlagung der Münchner Räterepublik mit Unterstützung der Reichswehr. Nach der Inkraftsetzung der Bamberger Verfassung im September 1919 war er der erste durch freie Wahlen und Verfassung legitimierte Ministerpräsident Bayerns. 1920 legte er, im Kontext des Kapp-Lüttwitz-Putschs unter Druck gesetzt, seine Ämter in Bayern nieder. Bis zu seinem Tod war er Mitglied des Reichstags in Berlin.

Prof. Dr. Robert Piloty (Deutsche Demokratische Partei)

„Unter uns gesagt freilich hege ich bei alledem große Sorge: Was wird unser armes seit 1000 Jahren an Vormundschaft gewöhntes Volk mit all diesen schweren Rechten anfangen?“

Robert Piloty war 1919 und 1920 Abgeordneter im Landtag und als Jurist maßgeblich an der Ausarbeitung der Verfassung von 1919 beteiligt. Er war Schüler des berühmten Staatsrechtslehrers Max von Seydel und wurde 1895 an der Universität Würzburg Professor für Staats- und Verwaltungsrecht. Als Förderer des Gedankens der Volksbildung initiierte er 1919 die Gründung der Volkshochschule in Würzburg.

Dr. Rosa Kempf (Deutsche Demokratische Partei)

„[…] wir werden noch lange zu kämpfen haben, bis im ‚Leben‘ die Gleichberechtigung der Frauen durchgedrungen ist.“

Rosa Kempf zählte 1919 zu den ersten acht Frauen unter den 180 Landtagsabgeordneten. Nach ihrer Ausbildung zur Lehrerin studierte sie in München Philosophie und Staatswissenschaften und schloss mit einer Dissertation über die Lebensbedingungen junger Fabrikarbeiterinnen ab. Im Dezember 1918 hielt sie als erste Frau eine Rede vor dem Provisorischen Nationalrat. Im Landtag trat sie ab 1919 selbstbewusst für Frauenrechte ein. Bei den Neuwahlen im Juni 1920 wurde sie nicht wiedergewählt und ging zurück nach Frankfurt als Dozentin an ihre Soziale Frauenschule.

Ellen Ammann (Bayerische Volkspartei)

„Nur wer [...] die Zusammenhänge der wirtschaftlichen und sozialen Bewegung unserer Zeit nicht kennt, kann die Notwendigkeit einer katholischen Frauenorganisation leugnen.“

Als Abgeordnete der ersten Stunde gehörte sie von 1919 bis zu ihrem Tod im Jahr 1932 dem Landtag an. Die überzeugte Katholikin engagierte sich sab 1890 in der bürgerlichen Frauenbewegung. Unermüdlich setzte sie sich nicht nur für die Emanzipation der Frauen ein, sondern besonders für die Belange mitteloser und schwer arbeitender Frauen. Sie war Gründerin des Katholischen Frauenbunds in München, der Bahnhofsmission und der heutigen Katholischen Stiftungsfachhochschule. Mutig trat sie schon früh gegen den Nationalsozialismus ein.

Heinrich Held (Bayerische Volkspartei)

„Der Landtag steht ja im Brenn- und Mittelpunkte der neuen Verfassung. […] Er allein ist der Gesetzgeber der Zukunft.“

Der aus dem hessischen Erbach stammende Heinrich Held gehörte ab 1907 dem bayerischen Landtag an. Als Fraktionsvorsitzender der Bayerischen Volkspartei, die von 1919 bis 1933 die stärkste Gruppe im Landtag stellte, nahm er wesentlichen Einfluss auf die Ausarbeitung der Bamberger Verfassung. Nach der krisenhaften Zuspitzung der politischen Lage infolge des Hitlerputschs wählte der bayerische Landtag 1924 Held zum Ministerpräsidenten. Ihm gelang eine Stabilisierung der Verhältnisse. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt.

Auf ein Gespräch mit Oberbürgermeister Andreas Starke im Bamberger Spiegelsaal der Harmonie.